Was versteht man unter chirurgischem Nahtmaterial?
Unter chirurgischem Nahtmaterial werden Nadeln und Fäden verstanden, die in Kombinationen zum Verschluss von Wunden, zur Reparatur von Gewebe und der Ligatur von feinsten Strukturen dienen.
Es handelt sich um ein anerkanntes Medizinprodukt, welches im OP oder in Arztpraxen zur Behandlung von tiefen und klaffenden Wunden als Folgen von Unfällen oder operativen Eingriffen verwendet wird.
Heutzutage ist der Wundverschluss mit chirurgischem Nahtmaterial die klassischste und am häufigsten durchgeführte Wundverschlusstechnik.
Umgangssprachlich wird unter der Bezeichnung “Nahtmaterial” oft ein Faden verstanden!
Welche Art von Fäden unterscheidet man?
Chirurgische Fäden unterscheidet man grundsätzlich nach ihrer Herkunft.
Nahtmaterialien organischer Natur
Nahtmaterialien organischer Natur sind bereits vor rund 5000 Jahren im alten Ägypten verwendet worden.
Es kamen Materialien wie Katzendarm (Catgut), Seide, Zwirn oder Pflanzenfasern zum Einsatz, um Verletzungen zu behandeln und den Blutausfluss zu stoppen.
Nachteilig an den natürlichen Ressourcen ist allerdings deren Empfänglichkeit für mögliche bakterielle Krankheitserreger.
Anwendung in der Zahnmedizin
Seide ist das am häufigsten verwendete natürliche Nahtmaterial in der Zahnmedizin.
Nahtmaterialien synthetischer Natur
Chirurgische Fäden, die dem Krankheitsrisiko organischer Nahtmaterialien entgegenwirken, entwickelten sich erst im Industriezeitalter.
Sie bestehen aus synthetisch hergestellten Polymeren und werden maschinell gefertigt.
Heutzutage wird fast ausschließlich auf synthetische Fäden zurückgegriffen.
Nahtmaterialien metallischer Natur
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden metallische Nahtmaterialien, meistens aus Chrom-Nickel-Eisenverbindungen eingesetzt, um von deren Reißfestigkeit zu profitieren.
Im Gegensatz zu Seide und synthetischem Nahtmaterial kommen metallische Nahtmaterialien jedoch heute nur sehr selten zum Einsatz!
Herstellung chirurgischer Fäden
Nahtmaterialien können auf unterschiedliche Arten und Weisen hergestellt werden.
Einen grundsätzlichen Unterschied machen dabei die Zusammensetzungen der Oberflächenbeschaffenheiten aus!
Man unterscheidet zwischen:
Fertigung monofiler Fäden
Monofile Fäden synthetischer Natur entstehen durch Extrusion. In einem speziellen Schmelzspinnverfahren wird dabei Kunststoff unter hohem Druck durch feine Drüsen gepresst, wodurch einzelne Fadenstränge entstehen.
Fertigung polyfiler Fäden
Polyfiles Nahtmaterial setzt sich aus multiplen Fadensträngen zusammen.
Diese werden bei der Herstellung entweder miteinander verflochten, verzwirnt oder verdreht.
Auf diese Weise kann in Abhängigkeit zum ausgewählten Material die passende Fadenstruktur gefertigt werden.
Gewebeverträglichkeit
Wie verträglich chirurgisches Nahtmaterial für das Gewebe ist, hängt von der Art des implantierten Materials, dessen Verarbeitungsform und den damit einhergehenden Eigenschaften der Fäden ab.
So muss man grundsätzlich bei der Frage nach der Intensität der Gewebereaktionen zwischen monofilen- und polyfilen Fäden sowie zwischen resorbierbarem und nichtresorbierbarem Nahtmaterial unterscheiden.
In Summe lassen sich insgesamt 4 Eigenschaften nennen, die einen wesentlichen Einfluss auf das durchzogene Gewebe haben:
die Handhabung
die Dochtwirkung
die Geschmeidigkeit und
die Knüpfeigenschaften
Gewebeverträglichkeit monofiler Nahtmaterialien
Monofiles Nahtmaterial weist eine glatte Oberflächenstruktur auf.
An dieser ist es für Keime nur sehr schwer möglich haften zu bleiben, weshalb Gewebereaktionen eher seltener der Fall sind.
Insgesamt sind monofile Nahtmaterialien gegenüber polyfilen steifer und gleiten somit leichter durch das durchzogene Gewebe. Aufgrund geringerer Sägewirkungen wird ein Entzündungsrisiko reduziert.
Gewebeverträglichkeit polyfiler Nahtmaterialien
Polyfile Nahtmaterialien können aufgrund ihrer hohen Kapillarität leichter Gewebereaktionen verursachen.
Nichtresorbierbare polyfile Fäden unterliegen bis zur Bindegewebsabkapselung einer permanenten Fremdkörperreaktion, weshalb in Fällen, bei denen mit einer Wundkontamination zu rechnen ist, auf monofile Fäden zurückgegriffen werden sollte.
Ausnahme
Eine Ausnahme besteht hingegen für synthetisch resorbierbare polyfilamentäre Nahtmaterialien. Diese auf Polyglykolsäurebasis hergestellten Fäden verursachen aufgrund ihrer Flechtstruktur nur sehr selten entzündliche Reaktionen und führen zu geringeren Narbenbildungen.
Zug- und Reißfestigkeit
Die Zugfestigkeit beschreibt die Kraft, die aufgewendet werden muss, um einen Faden zum Reißen zu bringen.
Die Reißkraft hängt maßgeblich von drei Einflussgrößen ab:
Somit bestehen je nach Art und Verarbeitung der verschiedenen Nahtmaterialien unterschiedliche Zugfestigkeiten.
Weiterführende Links
- Nahtmaterialien: Beschaffenheiten und Anwendungsgebiete
- Nahtmaterialien: Beschaffenheit und Anwendungsgebiete
- Standardoperationen in Orthopädie und Unfallchirurgie
- Orthopädisch-Chirurgische Operationslehre
- Medizintechnik Life Science Engineering
- Wundverschluss und Wundheilung
- BozTibbi Malzemeier
- Serag Wiessner